Das gehäufte Auftreten von Polyneuropathien bei Parkinson-Patienten kann auf einem Mangel an dem Biofaktor Vitamin B12 beruhen, der sich unter der Therapie mit L-Dopa entwickelt.
Über ein Drittel der Patienten mit Parkinson Disease (PD), die mit L-Dopa behandelt werden, können eine Polyneuropathie entwickeln. Obwohl pathogene Wirkmechanismen nach wie vor unklar bleiben, werden komplexe Zusammenhänge zwischen peripheren neurodegenerativen Prozessen und neurotoxischen Levodopa-Stoffwechselprodukten wie Homocystein diskutiert.1 L-Dopa führt zu einer Hyperhomocysteinämie als Folge der L-Dopa-Methylierung durch die Catechol-O-Methyltransferase. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass erhöhte Homocysteinspiegel den dopaminergen Zelltod bei der Parkinson-Krankheit durch neurotoxische Wirkungen beschleunigen könnten.2
Das Ausmaß der Hyperhomocysteinämie der PD-Patienten wiederum ist vom Vitamin-B12- (und Folsäure-Status) abhängig.3 2017 wurde eine Metaanalyse an 15 wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht, die diese Zusammenhänge bestätigte: Zum einen wurde die enge Korrelation zwischen Hyperhomocysteinämie und PD dokumentiert und zum anderen zeigten die PD-Patienten unter L-Dopa-Therapie neben höheren Homocysteinspiegeln niedrigere Vitamin-B12- und Folsäure-Serumwerte im Vergleich zu den Kontrollgruppen.4
L-Dopa-Therapie korreliert mit Vitamin-B12-Status
Epidemiologische Studien zeigen also, dass es unter L-Dopa-Therapie zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen kann.5,6 Insbesondere eine direkte intestinale Zufuhr von L-Dopa erhöht bei den meisten Patienten aufgrund von Resorptionsstörungen das Risiko für einen persistierenden Mangel an Vitamin B12, der sich klinisch mit einer axonal senso-motorischen Polyneuropathie manifestieren kann.7 Weniger gut untersucht, aber ebenfalls dokumentiert ist der Status der Vitamin-B12-Blutwerte bei oraler L-Dopa-Medikation. Auch hier kann von einem erhöhten Risiko für einen Mangel ausgegangen werden.8
Andere Studien untersuchten die klinischen Auswirkungen eines durch L-Dopa verursachten Vitamin-B12-Mangels. Beispielhaft wird hier eine Studie vorgestellt, die Stimmung, klinische Manifestationen und kognitive Dysfunktion von mit L-Dopa behandelten Parkinson-Patienten prüfte und wiederum signifikant niedrigere Vitamin-B12- und Folat-Serumspiegel im Vergleich zu Kontrollpatienten nachweisen konnte. Kognitiv beeinträchtigte PD-Patienten zeigten im Vergleich zu kognitiv nicht beeinträchtigten Patienten einen signifikant niedrigeren Vitamin-B12-Spiegel im Serum, während depressive Patienten im Vergleich zu nicht depressiven Patienten signifikant niedrigere Serumfolatspiegel aufwiesen.9 Auch konnte eine Studie von 2020 nachweisen, dass höhere Serumvitamin-B12-Spiegel bei der Parkinson-Diagnose mit einem geringeren Risiko für die Entwicklung einer späteren Demenz korrelieren.10
Blutuntersuchung unterstützt Diagnose:11
Normbereich: Gesamt-Vitamin-B12-Serumspiegel: 200 - 1.000 ng/l
Serumwerte unter 200 ng/l: Vitamin-B12-Mangel sicher
Bei Serumwerten zwischen 200 und 400 ng/l: zusätzliche Messung von Holotranscobalamin (Holo-TC)
Holo-TC-Serumwerte < 35 pmol/l: Vitamin-B12-Mangel sicher
Bei Holo-TC-Serumwerten zwischen 36 und 55 pmol/l: Messung von Methylmalonsäure (MMA) und/oder Homocystein
MMA und Homocystein häufen sich als intrazelluläre Metabolite von Vitamin-B12-abhängigen Reaktionen im Vitamin-B12-Mangel an.
Bei MMA-Serumspiegeln > 300 nmol/l bzw. > 0,4 µmol/l und Homocystein-Serumspiegeln > 10 µmol/: intrazellulärer manifester Vitamin-B12-Mangel
Vitamin-B12-Mangel kann zu Neuropathie führen
Neben einer megaloblastären Anämie, kognitiven und zerebralen Störungen zeigt sich ein Vitamin-B12-Mangel neurologisch mit einer funikulären Myelose: es kommt zu Leitungsstörungen der Nervenbahnen im Hinterstrangsystem und der Pyramidenseitenbahnen des Rückenmarkes, aber auch in den peripheren sensiblen Nervenfasern mit der Folge einer Neuropathie-Entwicklung. Der medikamentöse Ausgleich des Vitamin-B12-Mangels ist durch die Verfügbarkeit einer hochdosierten oralen, gut verträglichen Form erleichtert worden, die eine vom Intrinsic-Faktor unabhängige Aufnahme durch passive Diffusion im gesamten Dünndarm ermöglicht und von den meisten Patienten einer parenteralen Substitution vorgezogen wird.12,13,14
Vitamin-B12-Mangel unter L-Dopa-Therapie vermeiden
Durch wissenschaftliche Untersuchungen dokumentiert ist also:
Unter L-Dopa-Therapie bei PD-Patienten besteht ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Neuropathie, einer Hyperhomocysteinämie sowie eines Vitamin-B12-Mangels.15
Ein Vitamin-B12-Mangel wird mit der Entwicklung einer Neuropathie in Verbindung gebracht und der Vitamin-B12-Mangel kann durch gezielte Supplementierung ausgeglichen werden.
Kann durch Vitamin-B12-Supplemente auch die L-Dopa-bedingte Neuropathie der PD-Patienten durch Ausgleich eines Vitamin-B12-Mangels behandelt werden? Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zwar Hinweise, aber noch zu wenig aussagekräftige Ergebnisse,16,17 und auch die Gesellschaft für Biofaktoren betont die Notwendigkeit gut designter Studien, um den potentiellen Nutzen einer Vitamin-B12-Therapie zu bestätigen. Dem Ausgleich eines Vitamin-B12-Mangels unter L-Dopa-Therapie kann jedoch uneingeschränkt zugestimmt werden. Trotz der in der Regel hohen Anzahl einzunehmender Arzneimittel, was die Medikamenten-Compliance beeinträchtigen kann, sollte daher der Vitamin-B12-Status der PD-Patienten unter L-Dopa regelmäßig geprüft und bei nachgewiesenem Mangel durch eine orale Supplementierung ausgeglichen werden.
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