Der Gesamt-Vitamin-B12-Serumspiegel wird in der Labordiagnostik in der Regel als Parameter der ersten Wahl kostengünstig eingesetzt, hat aber eine limitierte Spezifität und Sensitivität – insbesondere bei Patienten mit Vitamin-B12-Serumkonzentrationen zwischen 200 und 400 ng/l. Das Holotranscobalamin als aktives Vitamin B12 besitzt eine höhere Sensitivität und Spezifität. Ein erniedrigter Holo-TC-Spiegel im Serum gilt daher als frühester Marker eines Vitamin-B12-Mangels. Funktionelle Tests wie die Messung von Homocystein und Methylmalonsäure – intrazelluläre Metabolite, die sich im Vitamin-B12-Mangel anreichern – können zur Verifizierung eines Vitamin-B12-Defizits hilfreich sein.
Vitamin-B12-Mangel: Labordiagnostik unterstützt Diagnose1,2,3
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Diagnose Vitamin-B12-Mangel: Das gilt es zu berücksichtigen
Der Biofaktor Vitamin B12 wird im Darmlumen des distalen Ileums an den Intrinsic Faktor IF gebunden und über spezielle Rezeptoren der Darmschleimhaut resorbiert. Im Plasma erfolgt anschließend die Bindung eines Teils von Vitamin B12 an Transcobalamin zu Holotranscobalamin (Holo-TC). Der größte Anteil von 70 bis 90 % wird jedoch an Haptocorrin gebunden – ein biologischer inaktiver Komplex, da nur Leberzellen und keine anderen Körperzellen über Rezeptoren zur Resorption verfügen. Ausschließlich Holo-TC kann als metabolisch aktive Form von Vitamin B12 von allen Zellen über entsprechende Rezeptoren aufgenommen werden.
Bei der Bestimmung des Gesamt-Vitamin-B12 wird nicht zwischen der metabolisch aktiven und inaktiven Form differenziert. Die alleinige Messung dieses Laborparameter gibt im sogenannten „Graubereich“ zwischen 200 und 400 ng/l daher keinen eindeutigen Hinweis, ob Holo-TC als alleinige metabolisch aktive Form von Vitamin B12 in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Es empfiehlt sich dann die zusätzliche Messung von Holo-TC im Serum.
Auch beim Holo-TC gibt es allerdings einen Graubereich zwischen 35 und 55 pmol/l, in dem ein eventueller Vitamin-B12-Mangel durch Bestimmung weiterer Laborparameter – Homocystein und Methyl-Malonsäure (MMA) – diagnostisch abzuklären ist. Vitamin B12 ist einer der Kofaktoren im Methionin-/Homocystein-Stoffwechsel; im intrazellulärem Vitamin-B12-Mangel steigen die Konzentrationen an Homocystein und MMA an (Messwerte siehe Kasten).
Aufgrund dieser physiologischen Zusammenhänge wird deutlich, dass die Messung von Holo-TC, Homocystein und MMA eine höhere Sensitivität und Spezifität hat als die alleinige Messung von Gesamt-Vitamin-B12:
- Holo-TC gilt als frühester Laborparameter eines Vitamin-B12-Mangels.
- Erniedrigtes Holo-TC allein zeigt bereits die Entleerung der Vitamin-B12-Speicher.
- In Kombination mit erhöhtem MMA und Homocystein ist Holo-TC ein Indikator für einen metabolisch manifesten Vitamin-B12-Mangel. Dabei können klinische Symptome noch fehlen.
- Homocysteinwerte oberhalb 10 µmol/l können ebenfalls für einen Vitamin-B12-Mangel sprechen. Allerdings kann auch ein Mangel an Folsäure und Vitamin B6 zu einer Hyperhomocysteinämie führen.
- Da die ersten klinischen Anzeichen eines Vitamin-B12-Defizits unspezifisch sind, ist bei insbesondere bei Risikopatienten wie Senioren, Herz-Kreislaufpatienten oder Diabetikern ein regelmäßiges Screening zu empfehlen.
Zu beachten:
Bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz ist die Aussagekraft der Vitamin-B12- und Holo-TC-Serumspiegel nur eingeschränkt möglich. Der Verdacht auf einen Vitamin-B12-Mangel wird bei diesen Patienten über eine Verminderung von MMA im Serum nach Cobalamingabe diagnostiziert. Das heißt, bei Niereninsuffizienz wird die Messung von MMA vor und nach der Therapie mit Vitamin B12 empfohlen.
„Bleibt der Vitamin-B12-Status weiterhin unklar, ist aufgrund der guten Verträglichkeit eine Supplementierung ratsam, deren Erfolg klinisch und anhand der Laborparameter verifiziert werden kann“, betont Prof. Karlheinz Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der GfB.
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J. Frank, K. Kisters, OA. Stirban, S. Lorkowski, M. Wallert, S. Egert, MC. Podszun, JA. Pettersen, S. Venturelli, HG. Classen, J. Golombek.:
The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021, 47: 522-550, IF 6.113
iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biof.1728
Literatur:
(1) Reiners K: Vitaminkrankheiten. In: Hoffmann GF, Grau AJ (Hrsg): Stoffwechselerkrankungen in der Neurologie. Stuttgart: Thieme, 2004; 163-176
(2) Reiners K: Vitamin-B12-Mangel. Neurologische Langzeitschänden verhindern. Nervenheilkunde 2017; 7: 2-7
(3) Zum Beispiel www.ganzimmun.de. Die Referenzwerte können abhängig vom Labor leicht variieren.