Warum in Schwangerschaft und Stillzeit auf den Vitamin-B12-Status achten?

Aufgrund der immensen Bedeutung des Biofaktors Vitamin B12 für die Erythropoese und für neurologische Funktionen kann sich ein Defizit in der Schwangerschaft negativ auf die Entwicklung der Feten und den Gesundheitszustand der Neugeborenen auswirken.

Dass ein Defizit an den Biofaktoren Folsäure, Vitamin D3, Eisen, Magnesium und Zink zu Frühgeburten und Aborten führen kann, ist durch wissenschaftliche Untersuchungen gut dokumentiert. Ein Vitamin-B12-Mangel wurde jedoch bisher nicht mit einem entsprechenden erhöhten Risiko in Verbindung gebracht. Das hat sich nun geändert: Eine aktuelle klinische Studie und Meta-Analysen aus dem Jahr 2021 konnten zeigen, dass ein Vitamin-B12-Mangel – in Kombination mit einer Hyperhomocysteinämie – ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung von Früh- bzw. Fehlgeburten ist.1

Welche Forderungen ergeben sich aus diesen Ergebnissen für die tägliche Praxis? Bei schwangeren Frauen sollte der Vitamin-B12-Status im Blut untersucht und bei einem nachgewiesenen Mangel durch eine entsprechende Supplementation ausgeglichen werden. Dies ist umso wichtiger, da in Schwangerschaft und Stillzeit der Vitamin-B12-Bedarf erhöht ist – und vor allem vegan und streng vegetarisch orientierte Frauen mitunter schnell einen Vitamin-B12-Mangel entwickeln und diesen an das Kind weitergeben können.

Auch diese Mangelsymptome können auftreten

„Durch eine unzureichende Verfügbarkeit von Vitamin B12 kann es zudem zu schweren hämatologischen und neurologischen Störungen bei Säuglingen kommen, die sich negativ auf die weitere Entwicklung der Kinder auswirken“, warnt Prof. Karlheinz Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Biofaktoren (GfB).

Neurologisch kann sich ein Vitamin-B12-Defizit in Reizbarkeit, Apathie, Appetitlosigkeit und Erbrechen sowie motorischen und psychischen Störungen zeigen,2,3 hämatologisch sind eine Megaloblastenanämie und eine Panzytopenie möglich. Die Beschwerden sind durch eine orale Behandlung der Säuglinge in der Regel gut zu beheben. Allerdings kann es bei zu später Diagnose und Supplementierung auch zu irreversiblen Entwicklungsstörungen kommen, so dass der rechtzeitige Ausgleich eines Vitamin-B12-Defizits bereits während der Schwangerschaft zu empfehlen ist.

Vitamin-B12-Supplementation nötig

Laut DGE liegt die Empfehlung für Schätzwerte von Vitamin B12 bei 4,5 µg, für Stillende bei 5,5 µg.4 Die pro Mahlzeit oder Dosis aufgenommene Menge an Vitamin B12 ist auf maximal 1,5 µg beschränkt. Bei Reduktion des für die aktive Resorption von Vitamin B12 notwendigen Intrinsic Faktors (z.B. durch eine chronische Gastritis, durch Autoantikörper oder medikamentöse Säureblocker (PPI, H2-Blocker) schränkt sich die tatsächliche aktive Resorptionsrate noch weiter ein. Über diesen Wert hinaus wird Vitamin B12 aber über passive Diffusion aufgenommen; rund 1-5 % des freien Cobalamins werden durch diese passive Diffusion über die Darmschleimhaut resorbiert.5 Das bedeutet, dass bei hoher Verfügbarkeit von Vitamin B12, zum Beispiel im Rahmen einer oralen Substitutionstherapie, mehr Vitamin B12 passiv als aktiv resorbiert wird. Orale Vitamin-B12-Präparate werden deshalb häufig so dosiert, dass die über die passive Diffusion aufgenommene Menge allein ausreicht, um den Bedarf an Vitamin B12 zu decken. Die entsprechende orale Dosierung von Vitamin-B12-Supplementen sollte daher bei mindestens 500 bis 1000 µg liegen.  

Weitere Informationen zu Vitamin B12 und anderen Biofaktoren finden Sie hier.

Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus. 

Lesen Sie auch das Review:

J. Frank, K. Kisters, OA. Stirban, S. Lorkowski, M. Wallert, S. Egert, MC. Podszun, JA. Pettersen, S. Venturelli, HG. Classen, J. Golombek.:
The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021, 47: 522-550, IF 6.113

https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biof.1728

 

Literatur:


(1) Bala R et al.: Hyperhomocysteinemia and low vitamin B12 are associated with the risk of early pregnancy loss: A clinical study and meta-analyses. Nutr Res 2021 July, 91: 57-66

(2) Rogne T et al.: Association of maternal vitamin B12 concentration in pregnancy with the risks of preterm birth and low birth weight: A systematic review and meta-analysis of individual participant data. Am J Epidemiol 2017 Feb 1, 185(3): 212-223

(3) Black MM: Effects of vitamin B12 and folate deficiency on brain development in children. Food Nutr Bull 2008 Jun, 29(2 Suppl): 126-131

(4) www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-b12/

(5) Andrès E et al.: Vitamin B12 (cobalamin) deficiency in elderly patients CMAJ 2004, 171(3): 251-259