Ein optimaler Folsäurestatus in der Schwangerschaft ist nicht nur essentiell für die Gesundheit der Mutter, sondern auch entscheidend für die Entwicklung des heranwachsenden Kindes.
Der Biofaktor Folsäure ist essentiell für die mütterliche Erythropoese und Zellwachstum und -differenzierung des Ungeborenen. Ein guter maternaler Folsäurestatus ist für die normale kindliche Entwicklung, insbesondere zur Prävention von angeborenen Fehlbildungen wie Spina bifida oder Anenzephalie wichtig.1 Daher empfiehlt die DGE gemäß einer entsprechenden Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation WHO Frauen mit Kinderwunsch zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung die tägliche Einnahme von 400 µg synthetischer Folsäure, um der Bildung von Neuralrohrdefekten (NRD) vorzubeugen.
Folsäuredefizit erhöht die Gefahr für Schwangerschaftskomplikationen
Die Korrelation zwischen der Folsäureversorgung und der Entwicklung von Neuralrohrdefekten ist durch zahlreiche Untersuchungen gut dokumentiert.2 Studien belegen außerdem, dass durch eine rechtzeitige Supplementierung von Folsäure das Risiko für Neuralrohrdefekte um bis zu 80 % reduziert werden kann.3,4 Wichtig ist dabei vor allem der Zeitpunkt der Supplementierung. Da sich das Neuralrohr bereits etwa vier Wochen nach der Konzeption – zwischen dem 22. und 28. Schwangerschaftstag – schließt, ist ein Beginn der Supplementierung bei Bekanntwerden der Schwangerschaft nicht ausreichend. Die Folsäuresupplementierung sollte spätestens vier Wochen vor Eintritt der Schwangerschaft beginnen und während des ersten Trimenons weitergeführt werden. Eine neuere Studie empfiehlt sogar eine Folsäuresupplementierung von 800 µg pro Tag, wenn diese erst vier bis acht Wochen vor der geplanten Empfängnis beginnt. Nur mit dieser Dosis konnten laut Wissenschaftler der Untersuchung die erforderlichen Folatspiegel in den Erythrozyten zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten erreicht werden.5
Für Frauen, die bereits eine Schwangerschaft mit Neuralrohrdefekt durchlebt hatten, wird die Wiederholungswahrscheinlichkeit bei einer weiteren Schwangerschaft je nach Untersuchung mit 10- bis 20-fach erhöht angegeben. Diese Frauen sollten laut vorherrschender Studienlage täglich 4 mg Folsäure durch entsprechende Supplemente einnehmen.6 Allerdings sind auch Hinweise publiziert worden, die dieser hohen Dosierungsempfehlung widersprechen.7
Zudem wird ein Folsäuremangel als eine Ursache für die Entwicklung angeborener Herzfehler angesehen.8 Und es konnte beispielsweise in einer kanadischen Bevölkerungsstudie zwischen den Jahren 1990 und 2011 an etwa 6 Millionen Babys gezeigt werden, dass eine Anreicherung der Nahrung mit Folsäure das Risiko für die Entwicklung kongenitaler Herzfehler wie konotrunkalen Herzfehlern, Vorhofseptumdefekte, Ventrikelseptumdefekte und Aortenisthmusstenosen senken kann.9
Auch ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten und andere Schwangerschaftskomplikationen wie häufigen oder wiederholten Aborten wird in Zusammenhang mit einem Folsäuredefizit diskutiert.10
Auf den optimalen Folsäurestatus achten
Im Hinblick auf bekannte wissenschaftliche Erkenntnisse und die momentane Studienlage empfiehlt es sich, in der täglichen Betreuung schwangerer Frauen und insbesondere von Frauen mit Kinderwunsch oder Frauen mit einer bereits von embryonalen Fehlbildungen beeinflussten Schwangerschaft der Folsäureversorgung gezielt Aufmerksamkeit zu schenken. So können einem Folsäuremangel und daraus resultierenden Schwangerschaftskomplikationen sowie negativen Auswirkungen auf die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes entgegengewirkt werden.
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Literatur:
(1) From the Centers for Disease Control (CDC): Use of folic acid for prevention of spina bifida and other neural tube defects – 1983-1991. JAMA 1991 Sep 4, 266(9): 1190-1191
(2) Koletzko B, Pietrzik K: Gesundheitliche Bedeutung der Folsäurezufuhr. Dtsch Arztebl 2004, 191(23): A-1670/B-1388/C-1338
(3) Imbard A et al.: Neural tube defects, folic acid and methylation. Int J Environ Res Public Health 2013 Sep 17, 10(9): 4352 - 4389
(4) Llamas Centeno MJ et al.: Folic acid: Primary prevention of neural tube defects. Literature review. Arch Esp Urol 2016 Mar, 69(2): 73-85
(5) Obeid R et al.: The effectiveness of daily supplementation with 400 or 800 µg/day folate in reaching protective red blood folate concentrations in non-pregnant women: a randomized trial. Eur J Nutr 2018 Aug, 57(5): 1771-1780
(6) Petersen JM et al.: Periconceptional folic acid and risk for neural tube defects among higher risk pregnancies. Birth Defects Res 2019 Nov 15, 111(19): 1501-1512
(7) Dolin CD et al.: Folic acid supplementation to prevent recurrent neural tube defects: 4 Milligrams is too much. Fetal Diagn Ther. 2018, 44(3): 161-165
(8) Shiliang L et al.: Effect of folic acid food fortification in Canada on congenital heart disease subtypes. Clinical perspective. Circulation 2016, 134(9) 647 ff
(9) Liu S et al.: Canadian Perinatal Surveillance System (Public Health Agency of Canada). Effect of Folic Acid Food Fortification in Canada on Congenital Heart Disease Subtypes. Circulation 2016 Aug, 134(9): 647-655
(10) Pei L et al.: Effect of periconceptional folc acid supplementation on the risk of neural tube defects associated with a previous spontaneous abortion or maternal first-trimester fever. Hum Reprod 2019 Aug 1, 34(8): 1587-1594