Senioren, chronisch kranke Menschen wie Herz-Kreislaufpatienten und Diabetiker sowie Patienten mit regelmäßiger Medikamenteneinnahme – alles Risikogruppen für einen Biofaktorenmangel, der zum Teil gravierende Folgen für die Gesundheit der Betroffenen hat. Wenn dem Körper Biofaktoren wie Vitamine und Mineralstoffe fehlen, kann es nicht nur zu unspezifischen Beschwerden wie beispielsweise Konzentrationsschwäche, Erschöpfung, Schlafstörungen oder häufigen Erkältungen kommen. Auch schwerwiegende Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Osteoporose oder Neuropathien können durch einen Biofaktorenmangel verursacht werden
Biofaktorenmangel im Alter weit verbreitet
Viele Senioren ernähren sich einseitig oder nehmen weniger Kalorien zu sich, während der Bedarf an lebenswichtigen Biofaktoren im Alter nicht abnimmt. Die reduzierte Durst- und Geschmackswahrnehmung, Kau- und Schluckstörungen, chronische Erkrankungen sowie zahlreiche Arzneimittelwechselwirkungen begünstigen einen Biofaktorenmangel bei älteren Menschen und resultieren in zahlreichen gesundheitlichen Beschwerden und Krankheiten. Im Zuge des Alterungsprozesses nimmt zudem die Leistungsfähigkeit des Verdauungstraktes ab, wodurch Vitamine und Mineralstoffe aus der Nahrung schlechter resorbiert werden können. Wissenschaftlichen Studien zufolge liegt die Zufuhr der meisten Vitamine und Mineralstoffe bei Senioren unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Deutlich zu niedrig ist die Zufuhr an Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E und Folsäure sowie an den Mineralstoffen Calcium und Magnesium. Zudem wurde in vielen Studien auch eine mangelhafte Versorgung mit Vitamin B12 dokumentiert.
Biofaktorenmangel im Alter kann zu zahlreichen Erkrankungen führen
Der Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen kann sowohl psychische Beschwerden als auch körperliche Erkrankungen beim älteren Menschen hervorrufen. Insbesondere Herzrhythmusstörungen und andere Herz-Kreislauferkrankungen, Neuropathien, Anämie, Osteoporose, Depressionen sowie Krankheiten wie Alzheimer-Demenz oder Morbus Parkinson stehen laut aktueller Studienlage mit einer Unterversorgung an Biofaktoren in Zusammenhang. Besteht der Verdacht auf einen Biofaktorenmangel, sollte dieser durch eine Blutuntersuchung überprüft und so rasch wie möglich durch entsprechende Supplemente ausgeglichen werden, da es nach länger bestehendem Mangel zu irreversiblen Schäden kommen kann.
Welche Rolle spielt Magnesium bei Hypertonie und Herz-Kreislauferkrankungen
Bei Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems wie Hypertonie, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen sowie Arteriosklerose, Lipidstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus wird häufig ein Magnesiummangel diagnostiziert. Insbesondere die Auswirkungen eines Magnesiummangels auf Hypertonie haben in den letzten Jahren zunehmendes Interesse gefunden. „Zahlreiche neue Studien zeigen, dass eine Magnesium-Substitution einen positiven Einfluss auf Bluthochdruck ausübt“, erläutert Prof. Klaus Kisters, Internist und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. „Bei Herzinsuffizienz steigen unter einer Therapie mit Magnesiumorotat – einer organisch gebundenen und dadurch besonders gut bioverfügbaren Magnesiumverbindung – Lebensqualität und Lebenserwartung betroffener Patienten“, so der Mediziner Kisters. Zudem wird die Anzahl neu auftretender Herzrhythmusstörungen durch Magnesium und Kalium signifikant gesenkt. „Mangelzustände an Biofaktoren bei Herz-Kreislauferkrankungen sind daher dringend zu vermeiden, um weitere Folgeschäden und eine Minderung der Lebensqualität der Patienten zu reduzieren“, warnt Prof. Kisters.
Diabetes mellitus – erhöhtes Risiko für einen Biofaktorenmangel
Besonders gefährdet sind auch Patienten mit Diabetes mellitus. Sie haben aufgrund ihrer Erkrankung und notwendigen Pharmakotherapie – beispielsweise mit dem oralen Antidiabetikum Metformin – einen erhöhten Bedarf an verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen. Dies kann zu einer unzureichenden Aufnahme der Biofaktoren Vitamin B1, Vitamin B12, Magnesium, Zink und Chrom führen. Aber auch Therapien, die bei Diabetespatienten eingesetzt werden, können den Biofaktorenstatus im Körper negativ beeinflussen und somit einen Biofaktorenmangel erzeugen. Eine Therapie mit Metformin kann die Resorption der Vitamine B1 und B12 verringern, während eine Diuretika-Therapie zu einer erhöhten renalen Ausscheidung insbesondere von Vitamin B1 und Magnesium führt. Ein Mangel an diesen Biofaktoren kann Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes, wie Neuropathien und Herz-Kreislauferkrankungen, fördern und die Glucoseeinstellung erschweren. Deshalb ist es gerade für Diabetiker wichtig, den Biofaktorenstatus überprüfen zu lassen und einen Mangel durch entsprechende Präparate auszugleichen.
Vitamin B-Mangel geht auf die Nerven
Der Biofaktor Vitamin B1 (Thiamin) gilt als Nervenvitamin. Der Grund: Gehirn und Nervenzellen benötigen für ein reibungsloses Funktionieren Energie aus Kohlenhydraten; die Energiegewinnung erfolgt hauptsächlich durch einen Abbau einfacher Kohlenhydrate wie Zucker. Und für diesen Prozess benötigt der Körper Thiamin. Daher ist eine ausreichende Versorgung mit Thiamin für die gesunde Funktion der Nerven unerlässlich. Das periphere Nervensystem reagiert auf einen Vitamin-B1-Mangel mit der Entwicklung von Nervenschäden in Form einer Polyneuropathie mit Empfindungsstörungen v. a. in den Füßen, wie Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühl sowie Nervenschmerzen.
Besonders wichtig ist dies für Patienten mit Diabetes, die sowohl ein erhöhtes Risiko für einen Mangel an Vitamin B1 als auch für die Entwicklung von Nervenschäden haben. Sie sollten einen Mangel ausgleichen, bevorzugt mit der lipidlöslichen Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin. Diese zeichnet sich durch eine 5-fach höhere Resorptionsquote im Vergleich zu wasserlöslichem Thiamin aus. Dadurch kann das Nerven-Vitamin auch in ausreichend hoher Menge zum Zielort, dem Nervengewebe, gelangen.
Auch der Biofaktor Vitamin B12 spielt eine wichtige Rolle für das Nervensystem. „Ein unerkannter Vitamin-B12-Mangel kann ernsthafte Erkrankungen des Nervensystems nach sich ziehen. Beschwerden sind beispielsweise Sensibilitätsstörungen an Händen und Füßen, ein Einschnür- oder Manschettengefühl an den Unterschenkeln und Füßen, unsicheres Gehen mit Sturzneigung sowie Konzentrationsstörungen und depressive Verstimmungen“, warnt Prof. Reiners, Neurologe und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der GfB.
Fazit für die Praxis
Insbesondere bei Risikogruppen wie Senioren und chronisch kranken Menschen wie Diabetikern und Herz-Kreislaufpatienten sollte der Biofaktorenversorgung besondere Aufmerksamkeit geschenkt und Mangelzustände gezielt ausgeglichen werden, um Krankheiten vorzubeugen bzw. deren Entwicklung positiv zu beeinflussen.
Weitere Informationen zu den hier genannten und weiteren Biofaktoren finden Sie hier.
Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.
Am 15. Oktober 2022 fand das diesjährige GfB-Symposium zum Thema „Biofaktoren und Bewegung. Welche Relevanz haben Vitamine und Mineralstoffe für Mobilität und Leistungsfähigkeit? als Online-Veranstaltung statt.
Zur Video-Aufzeichnung der Veranstaltung gelangen Sie hier.
Literatur:
Heseker H et al. German Nutrition Society (DGE), Nutrition Report 2008
Conzade R et al.: Prevalence and Predictors of Subclinical Micronutrient Deficiency in German Older Adults: Results from the Population-Based KORA-Age Study. Nutrients 2017 Nov 23; 9(12):1276
Zhang X Li Y et al.: Effects of magnesium supplementation on blood pressure. A meta-analysis of randomized double-blind placebo-controlled trials. Hypertension 2016 Aug; 68(29: 324-333
Vierling W et al.: Magnesiummangel und Magnesiumtherapie bei Herzrhythmusstörungen. (Magnesium deficiency and magnesium therapy for cardiac arrhythmias.) Recommendations of the Society for Magnesium Research. Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 1165-1171
Reiners K et al.: Sensomotorische diabetische Neuropathien. (Sensomotor diabetic neuropathies.) Diabetologe 2016, 2: 92-103
Woelk H et al.: Benfotiamine in treatment of alcoholic polyneuropathy: an 8-week randomized controlled study (BAP I Study). Alcohol Alcohol, 1998 Nov-Dec; 33(6): 631-638