Biofaktorenmangel im Alter

Gerade ältere Menschen können in einen ernährungs- oder krankheitsbedingten Mangel essenzieller Biofaktoren wie Vitamine und Mineralstoffe geraten. Und ein solcher Biofaktorenmangel wiederum kann die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit betroffener Senioren beeinträchtigen und zu Erkrankungen führen oder diese verschlimmern.

Jeder zehnte Bewohner eines Pflegeheims ab 65 Jahren gilt als stark mangelernährt – so das Ergebnis der ErnSTES-Studie, einer Multicenterstudie zur Ernährung älterer Menschen in stationären Einrichtungen.1 Lediglich ein Drittel der Bewohner befindet sich laut dieser Studie in einem unauffälligen Ernährungszustand, während über 50 % der Senioren als mangelernährt und 11 % sogar als manifest mangelernährt eingestuft wurden. In Folge der schlechten Ernährungssituation älterer Menschen liegt die Zufuhr vieler Biofaktoren wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente unterhalb der Empfehlungen der D-A-CH-Fachgesellschaften, also der Ernährungsgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dies bestätigen auch verschiedene aktuelle Untersuchungen zum Ernährungs- und Biofaktorenstatus bei Senioren.2,3

Biofaktorenmangel bei Senioren – was ist zu beachten?

Hypertonie, Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen, neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz, Polyneuropathie und Parkinson sowie Typ-2-Diabetes, Osteoporose, Frailty-Syndrom, Erkrankungen des Immunsystems oder Depressionen können neben anderen Ursachen auch mit einem Biofaktorenmangel in Zusammenhang stehen. Ein Mangel einzelner Biofaktoren wird zudem in Zusammenhang mit der Entstehung verschiedener Krebserkrankungen diskutiert.4

Bei Verdacht auf einen Biofaktorenmangel sollte dieser durch Anamnese und Nachweis der Mangelsymptomatik geprüft und labordiagnostisch bestätigt werden. Bei einem nachgewiesenen Mangel empfiehlt sich statt einer pauschalen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln der gezielte Einsatz einzelner und vor allem wissenschaftlich geprüfter Biofaktoren, die als zugelassene Arzneimittel den Mangel ausgleichen und die gesamte Therapie sinnvoll ergänzen.

Risiko für Vitamin-B12-Mangel bei Senioren

Rund ein Drittel der Menschen über 65 Jahre sind von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen, bei den über 85-Jährigen sind es sogar bis zu 40 %. Als mögliche Ursachen werden diskutiert:5

  • Helicobacter-pylori-Infektion
  • intestinale Erkrankungen wie Morbus Crohn
  • Antikörper gegen Intrinsic- oder Parietal-Zellen
  • Ileum-Resektion
  • eine bakterielle Überwucherung des Darms
  • Arzneimitteleinnahme, z. B. Protonenpumpenhemmer, Metformin oder Duodopa-Pumpe

Wie zeigt sich ein Vitamin-B12-Mangel?

Die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels reichen von hämatologischen Störungen im Sinne einer megaloblastären Anämie bis hin zu neurologischen und psychiatrischen Beschwerden. Neurologisch macht sich ein Vitamin-B12-Mangel als funikuläre Myelose bemerkbar – einer Degeneration des Hinterstranges und des Seitenstranges mit Leitungsstörungen der Nervenbahnen und einer Polyneuropathie.6 Durch Schädigung zentraler Nervenbahnen kann es zu zerebralen Störungen kommen, die sich mit Verwirrtheit, Stupor, Gedächtniseinbußen und Psychosen manifestieren. Es ist beispielsweise gut dokumentiert, dass ein latenter Vitamin-B12-Mangel bei älteren Menschen mit einer sinkenden geistigen Leistungsfähigkeit und signifikant geringeren Gedächtnisleistungen verknüpft ist und zu den häufigsten behandelbaren Ursachen einer Demenz zählt.7 Zudem gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Vitamin-B12-Mangel und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz.8 Auch konnte bei etwa 30 % depressiver Patienten – und insbesondere bei Senioren – ein Vitamin-B12-Mangel diagnostiziert werden.9

Vitamin-B12-Mangel ausgleichen10

parenteral: 1000 µg s.c. od. i.m.

  • 1 Woche täglich, dann
  • 1 Monat wöchentlich, dann
  • meist lebenslang alle 1-3 Monate in Abhängigkeit von Kontrollen der Serumspiegel

oral: 1 Tablette 1000 µg 

  • 1 Monat 1(-2) Tabletten/Tag, dann
  • meist lebenslang 1 Tablette/Tag (bis 1 Tablette/Woche) in Abhängigkeit von Kontrollen der Serumspiegel

Der Ausgleich des Vitamin-B12-Mangels ist durch die Verfügbarkeit einer hochdosierten oralen Form erleichtert worden, die eine vom Intrinsic Factor unabhängige Aufnahme durch passive Diffusion im gesamten Dünndarm ermöglicht und von den meisten Patienten einer parenteralen Supplementierung vorgezogen wird. Eine orale Supplementierung kann auch bei einer Spritzenphobie oder als Erhaltungstherapie nach parenteraler Behandlung erfolgen.

 

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 Literatur:


(1) Heseker H et al.: ErnSTES-Studie, in DGE: Ernährungsbericht 2008, 157-204

(2) Vural Z et al.: Trace mineral intake and deficiencies in older adults living in the community and institutions: A systematic review. Nutrients 2020 Apr 13; 12(4): 1072

(3) Conzade R et al.: Prevalence and predictors of subclinical micronutrient deficiency in german older adults: Results from the Population-Based KORA-Age Study. Nutrients 2017 Nov 23; 9(12): 1276

(4) Keum N et al.: Vitamin D supplementation and total cancer incidence and mortality: a meta-analysis of randomized controlled trials. Ann Oncol. 2019; 30(5): 733-743

(5) Djukic M et al.: B-Vitamine in der in der Geriatrie – was bestimmen, was ersetzen? Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 152-156

(6) Wolffenbuttel BHR et al.: The Many Faces of Cobalamin (Vitamin B12) Deficiency. Mayo Clin Proc Inn Qual Out 2019; 3(2): 200-214

(7) Djukic M et al.: R: Frequency of dementia syndromes with a potentially treatable cause in geriatric in-patients: analysis of a 1-year interval. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2015 Aug; 265(5): 429-438

(8) Chen H et al.: Associations between Alzheimer's disease and blood homocysteine, vitamin B12 and folate: a case-control study. Curr Alzheimer Res 2015; 12(1): 88-94

(9) Tiemeier H et al.: Vitamin B12, folate and homocysteine in depression: the Rotterdam Study. Am J Psychiatry 2002; 159: 2009-2101

(10) Wang H et al.: Oral vitamin B12 versus intramuscular vitamin B12 for vitamin B12 deficiency. Cochrane Database of Syst Rev 2018 Mar 15; 3(3): CD004655