Zahlreiche Patienten sind von psychisch-kognitiven Störungen wie Demenz betroffen.Insbesondere die Vitamine B1 und B12 konnten in wissenschaftlichen Untersuchungen positive Effekte bei einer Demenz zeigen.
Der Begriff Demenz beschreibt chronische Erkrankungen des Gehirns, die mit einem schleichenden Verfall kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einhergehen. Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, die weltweit rund 60 % der Demenzfälle ausmacht. Weitere Formen sind mit etwa 15 % eine vaskuläre Demenz, Mischformen zwischen den beiden und zu 10 % weitere Demenzformen wie beispielsweise die Lewy-Körperchen-Demenz, die Parkinson-Demenz, eine medikamentös bedingte Demenz oder eine Demenz infolge eines Schädel-Hirn-Traumas.
Nach Schätzungen von Alzheimer´s Disease International sind weltweit 46,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen - und jedes Jahr kommen knapp 8 Millionen Neuerkrankungen dazu. Auch die Zahl der Demenzkranken in Deutschland wird laut Statistiken steigen. Während 2018 knapp 1,6 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung lebten – was 1,9 % der Bevölkerung entspricht – gehen Experten von einem Anstieg auf 2,7 Millionen im Jahr 2050 aus (3,4 %).1
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Demenz und der Biofaktor Vitamin B12 – was sagt die Studienlage?
Neben den klassischen Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels wie der megalobastären Anämie oder funikulären Myelose sind auch Störungen von Kognition und Gedächtnis möglich. Ein Vitamin-B12-Mangel kann also mit signifikant geringeren Gedächtnisleistungen verknüpft sein2 und zählt, wie bereits erwähnt, zu den häufigsten behandelbarenUrsachen einer sekundären Demenz.3
Bei einem Vitamin-B12-Mangel besteht ein erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln.4 Beispielsweise konnte eine multizentrische Studie zeigen, dass bereits milde kognitive Defizite mit erniedrigtem Vitamin-B12- und erhöhtem Homocysteinspiegel – einer gefäßschädigenden Aminosäure – korrelieren. Außerdem hatten sich nach drei Monaten Vitamin-B12-Supplementierung die Vitamin-B12-Serumspiegel bei allen Teilnehmenden normalisiert, 84% von ihnen berichteten über eine Verbesserung ihrer kognitiven Symptome und 78% erzielten bessere Punktzahlen im Mini-Mental-Status-Test.5
Auch andere Studien konnten die beschriebenen Zusammenhänge bestätigen,6 und deuten zudem auch auf Assoziationen zwischen niedrigen Vitamin-B12-Spiegeln und erhöhten Homocysteinwerten im Serum mit einem erhöhten Alzheimer-Demenz-Risiko hin.7
Vitamin-B12-Mangel rechtzeitig erkennen und ausgleichen
Die bei einem Vitamin-B12-Defizit beobachteten psychisch-kognitiven Störungen einer Demenz können Monate bis Jahre den hämatologischen Anomalien der Mangel-bedingten megaloblastären Anämie vorausgehen beziehungsweise ganz ohne Anämiesymptome auftreten. Das Vorliegen eines Vitamin-B12-Mangels kann daher übersehen werden, wenn nur das Blutbild als Indikator für ein Vitamin-B12-Defizit herangezogen wird, zumal es zu Beginn eines Mangels zu eher unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen, Leistungsschwäche, Stimmungstiefs oder Inappetenz kommen kann. Eine genau Kenntnis der Vitamin-B12-Mangelsymptomatik und eine zielgerichtete Labordiagnostik sind daher insbesondere bei älteren Patienten mit Verdacht auf kognitive Störungen zu empfehlen.
Demenz und Diabetes mellitus: Welche Rolle spielt Vitamin B1?
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist das Risiko im Vergleich zu Nicht-Diabetikern deutlich höher, an Alzheimer-Demenz (AD) zu erkranken. Es gibt mittlerweile zahlreiche Hinweise, dass Typ-2-Diabetes über einen gestörten zentralen Glukosestoffwechsel in den Nervenzellen und eine verminderte Glucoseverwertung im Gehirn zur Alzheimer-Krankheit beitragen kann.8,9 Dabei ist der Zusammenhang zwischen Typ-2-Diabetes und Demenz umso stärker, je früher diabetesbedingte Veränderungen auftreten. Andererseits kann eine Behandlung mit Antidiabetika über einen längeren Zeitraum die Demenzentwicklung abschwächen.10,11
Was kann der Biofaktor Vitamin B1 bei Demenz bewirken?
Auch ein Vitamin-B1-Mangel könnte eine Rolle bei der Alzheimer-Demenz spielen, denn in Gehirnen von AD-Patienten wurden erniedrigte Vitamin-B1-Konzentrationen nachgewiesen. Dass der Ausgleich eines Vitamin-B1-Mangels ein vielversprechender Ansatz sein könnte, zeigen bereits Untersuchungen aus früheren Jahren: So wiesen Wissenschaftler in tierexperimentellen Untersuchungen nach, dass eine achtwöchige Behandlung mit der lipidlöslichen Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin bei an Alzheimer erkrankten Mäusen nicht nur krankhafte Hirnveränderungen wie die Plaquebildung reduzieren, sondern auch Leistungsdefizite im Lernverhalten signifikant verbessern kann.
Die Wissenschaftler setzten in ihren Untersuchungen die Vorstufe Benfotiamin ein, weil frühere Untersuchungen mit wasserlöslichem Thiamin nur einen geringen positiven Effekt zeigten. Als Hauptgrund wurde die nur sehr geringe Bioverfügbarkeit von oral eingenommenen wasserlöslichen Thiamin-Verbindungen angesehen. Die fettlösliche Vorstufe Benfotiamin gelangt in wesentlich höheren Konzentrationen in den Körper und die Gewebe, was offensichtlich eine wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit in der Pathogenese der Alzheimer-Demenz ist.12 Die wesentlich höhere Bioverfügbarkeit von Benfotiamin im Vergleich zu wasserlöslichem Thiamin konnte auch in anderen Studien nachgewiesen werden.13
Effekt von Benfotiamin auch klinisch bestätigt14
Eine zwar kleine, aber kontrollierte Humanstudie zum Nutzen von oralem Benfotiamin bei Alzheimer-Demenz zeigte ebenfalls vielversprechende Ergebnisse. Laut der Autoren verbesserte Benfotiamin in präklinischen Untersuchungen bereits pathologische Faktoren, die eine Alzheimer-Demenz definieren. Aufgrund dieser Ergebnisse testeten die Wissenschaftler nun 12 Monate lang Benfotiamin im Vergleich zu Placebo bei Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Alzheimer-Krankheit. Der primäre klinische Endpunkt war die „Alzheimer's Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale“ – abgekürzt als ADAS-Cog. Als weitere Endpunkte wurden der Clinical-Demenz-Rating-(CDR)-Score und die Messung von Blut-AGEs als bekannte Risikofaktoren für die AD-Entwicklung definiert. Die Ergebnisse waren durchaus positiv:
- Der Anstieg des ADAS-Cog war in der Benfotiamin-Gruppe um 43 % geringer (fast statistisch signifikant (p = 0,125)) im Vergleich zu Placebo, was auf einen geringeren kognitiven Rückgang hinweist.
- Die Verschlechterung der CDR ist in der Benfotiamin-Gruppe um 77% geringer ausgefallen im Vergleich zu Placebo.
- Benfotiamin reduzierte signifikant den Anstieg des AGEs.
„Orales Benfotiamin ist sicher und potenziell wirksam bei der Verbesserung der kognitiven Ergebnisse bei Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Alzheimer-Demenz“, fassten die Autoren die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zusammen.
Fazit für die Praxis
Zusammengefasst zeigt dieser Beitrag, dass – auch wenn die Studienlage nicht immer einheitlich ist – der ausreichenden Versorgung mit ausgewählten Biofaktoren in der Behandlung psychisch-kognitiver Störungen wie der Demenz neben klassischen Methoden Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.
Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.
Literatur
(1) https://de.statista.com/themen/2032/demenzerkrankungen-weltweit/
(2) Köbe T et al.: Vitamin B12 concentration, memory performance and hippocampal structure in patients with mild cognitive impairment. Am J Clin Nutr 2016 Apr; 103(4): 1045-1054
(3) Djukic M et al.: Frequency of dementia syndromes with a potentially treatable cause in geriatric in-patients: analysis of a 1-year interval. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2015 Aug; 265(5): 429-438
(4) Chen H et al.: Associations between Alzheimer's disease and blood homocysteine, vitamin B12 and folate: a case-control study. Curr Alzheimer Res 2015; 12(1): 88-94
(5) Jatoi S. et al.: Low vitamin B12 levels: An underestimated cause of minimal cognitive impairment and dementia. Cureus 2020 Feb 13; 12(2): e6976
(6) Moore E et al.: Cognitive impairment and vitamin B12: a review. Psychogeriatr 2012 Apr; 24(4): 541-556
(7) Lauer AA et al.: Mechanistic link between vitamin B12 and Alzheimer's Disease. Biomolecules 2022 Jan 14; 12(1): 129
(8) Pugazhenthi S et al.: Common neurodegenerative pathways in obesity, diabetes, and Alzheimer's disease. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2017 May; 1863(5): 1037-1045
(9) Kandimalla R et al.: Is Alzheimer's disease a Type 3 Diabetes? A critical appraisal. Biochim Biophys Acta Mol Basis Dis 2017 May; 1863(5): 1078-1089
(10) Bendlin BB: Antidiabetic therapies and Alzheimer disease. Dialogues Clin Neurosci 2019; 21(1): 83-91
(11) Boccardi V et al.: Diabetes drugs in the fight against Alzheimer's disease. Ageing Res Rev 2019 Sep; 54: 100936
(12) Pan X et al.: Powerful beneficial effects of benfotiamine on cognitive impairment and β-amyloid deposition in amyloid precursor protein/presenilin-1 transgenic mice. Brain 2010; 133(5): 1342-1351
(13) Loew D: Pharmacokinetics of thiamine derivatives especially of benfotiamine. Int J Clin Pharm Ther 1996; 34(2): 47-50
(14) Gibson GE et al.: Benfotiamine and cognitive decline in Alzheimer's disease: Results of a randomized placebo-controlled phase IIa clinical trial. J Alzheimers Dis 2020; 78(3): 989-1010