Folsäure (Vitamin B9, Folat), ein wasserlösliches Vitamin aus dem B-Komplex, kann vom menschlichen Organismus nicht selber hergestellt werden und muss daher über die tägliche Nahrung zugeführt werden. Mehr als 80 % der Erwachsenen hierzulande nehmen jedoch mit ihrer Nahrung weniger als die empfohlene Tagesmenge des Biofaktors zu sich. Während in der Schweiz und einigen außereuropäischen Ländern Grundnahrungsmittel standardmäßig mit Folsäure angereichert werden, ist das in Deutschland bis auf einige wenige Lebensmittel wie Salz und Müsli nicht der Fall.1,2
Folsäure-Supplemente können daher einen Beitrag zur täglichen Folsäureversorgung leisten.
Folsäure ist die synthetisch hergestellte Form des in Lebensmitteln vorkommenden Vitamins Folat. Nahrungsfolat ist vom Körper weniger gut verwertbar als Folsäure. Um die Gehalte an Folat und Folsäure miteinander vergleichen zu können, wurde die Einheit Folatäquivalente eingeführt. 1 Mikrogramm Folatäquivalent entspricht 1 Mikrogramm Nahrungsfolat oder 0,5 Mikrogramm synthetischer Folsäure (bei Zufuhr auf nüchternen Magen) bzw. 0,6 Mikrogramm Folsäure (bei Zufuhr in Kombination mit anderen Lebensmitteln).
Laut Empfehlungen der D-A-CH-Fachgesellschaften, der Gesellschaften für Ernährung in Deutschland, Österreich und der Schweiz, benötigen gesunde Menschen folgende Mengen des Biofaktors Folat (Folatäquivalente)3:
Säuglinge | 60-80 µg/Tag |
Kinder bis 12 Jahre | 120-240 µg/Tag |
Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene | 300 µg/Tag |
Schwangere | 550 µg/Tag |
Stillende | 450 µg/Tag |
Nach den Ergebnissen der Nationalen Verzehrsstudie II (NVSII, 2008) liegt die mittlere Zufuhr an Folatäquivalenten bei Erwachsenen unter den Empfehlungen der D-A-CH-Gesellschaften. Frauen erreichen einen Wert von 252 µg/Tag und Männer 283 µg/Tag4. In Prozent bedeutet das, dass 79 % der Männer und sogar 86 % der Frauen die empfohlene Tageszufuhr an Folatäquivalenten nicht erreichen. In der Gruppe der ältesten Personen erreichen sogar 89 % der Männer und 91 % der Frauen die empfohlene Tageszufuhr nicht. Da für Frauen mit Kinderwunsch nach den WHO-Leitlinien höhere Zufuhrempfehlungen gelten (siehe unten), sind in dieser Gruppe sogar 95 % unterversorgt5.
Mit Folsäure lässt sich das Risiko für kindliche Fehlbildungen, vor allem von Neuralrohrdefekten reduzieren. Daher empfiehlt die DGE gemäß einer entsprechenden Leitlinie der Weltgesundheitsorganisation WHO6 Frauen mit Kinderwunsch zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung die tägliche Einnahme von 400 µg synthetischer Folsäure, um der Bildung von Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Zudem ist der Zeitpunkt der Supplementierung entscheidend. Da sich das Neuralrohr bereits um den 28. Tag der Schwangerschaft schließt, ist ein Beginn der Supplementierung bei Bekanntwerden der Schwangerschaft nicht ausreichend. Die Folsäure-Supplementierung sollte spätestens vier Wochen vor Eintritt der Schwangerschaft beginnen und während des ersten Trimenons weiter geführt werden. Eine neuere Studie empfiehlt sogar eine Folsäure-Supplementierung von 800 µg pro Tag, wenn diese erst vier bis acht Wochen vor der geplanten Empfängnis beginnt. So konnten die erforderlichen Folat-Blutspiegel zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten erreicht werden.7 Für Frauen, die in einer vorangegangenen Schwangerschaft ein Kind mit Neuralrohrdefekt geboren haben, werden hingegen Folsäuredosen von 4 mg pro Tag empfohlen,8 auch wenn die wissenschaftliche Datenlage diesbezüglich nicht einheitlich ist.9
Die möglichen Ursachen für einen Mangel des Biofaktors sind vielfältig. Die Unterversorgung kann zum einen durch eine ungenügende Zufuhr über die Ernährung (Fehlernährung) bedingt sein. Insbesondere ältere Menschen nehmen über die Nahrung zu wenig Folate auf. Menschen mit schädlichem Alkoholgebrauch nehmen aufgrund der häufig beobachteten Fehlernährung ebenfalls zu wenig Folate auf. Zusätzlich kommt es zu alkoholbedingten Stoffwechselbeeinträchtigungen. Zum anderen steigt in bestimmten Lebenssituationen der Folsäurebedarf an. Bei chronischen Blutverlusten und chronischer Hämolyse (Auflösung von roten Blutkörperchen) kommt es zu einer gesteigerten Erythropoese (Neubildung der roten Blutkörperchen) und dadurch zu einem erhöhten Folsäurebedarf. Bei Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie sowie nach Dünndarmoperationen ist die Folsäure-Resorption beeinträchtigt. In der Leber wird die Folsäure gespeichert, weshalb chronische Lebererkrankungen ebenfalls zu einer Unterversorgung an dem Biofaktor führen können. Nicht zuletzt kann die Einnahme bestimmter Arzneimittel (Antazida, orale Antidiabetika, Antiepileptika, Antirheumatika wie Methotrexat, Diuretika) zu einem Folsäuremangel führen.10 Wie schon erwähnt, steigt der Folsäurebedarf in der Schwangerschaft signifikant an.
Bei normaler Mischkost werden etwa 5 bis 10 mg Folsäure hauptsächlich in der Leber gespeichert. Wird keine Folsäure mehr über die Nahrung aufgenommen, sind die Reserven aus der Leber nach drei bis vier Monaten erschöpft.
Folsäure in ihrer aktiven Form, dem Tetrahydrofolat, wird für zahlreiche Stoffwechselprozesse benötigt. Im Einzelnen ist Folsäure von Bedeutung für:
Zellwachstum und Zellteilung
Der Biofaktor Folsäure ist wegen seiner Funktion als Coenzym bei der DNA-Synthese für Zellteilungs- und Wachstumsprozesse, vor allem für Gewebe mit hoher Zellteilungsrate wichtig.
Schwangerschaft, Embryonalentwicklung
Während der Schwangerschaft kommt es durch Wachstum des Uterus und Entwicklung der Plazenta, aber auch durch das erhöhte mütterliche Blutvolumen und das embryonale Wachstum zu einer erwünschten Zunahme der Zellzahl. Die Folsäure ist für ein adäquates Zellwachstum, eine normale Zellteilung und eine optimale Zelldifferenzierung während der Schwangerschaft unabdingbar.
Blutbildung
Für die Bildung von Erythrozyten und Leukozyten aus den blutbildenden Stammzellen ist die Folsäure ebenfalls unerlässlich.
Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Aminosäure Homocystein kann Blutgefäße schädigen und eine Thrombenbildung begünstigen. Folsäure ist gemeinsam mit den Vitaminen B6 und B12 am Abbau dieser gefäßschädigenden Aminosäure beteiligt.
Aufgrund der oben beschriebenen physiologischen Funktionen sind bei einem Folsäuremangel insbesondere alle Wachstums- und Erneuerungsprozesse negativ beeinträchtigt.
Ein manifester Folsäuremangel kann sich zeigen als:
Megaloblastäre Anämie
Ein Folsäuremangel führt über eine gestörte DNA-Synthese der blutbildenden Zellen im Knochenmark zu einer besonderen Form der Blutarmut, einer megalobastären hyperchromen Anämie, bei der das Größenwachstum der roten Blutkörperchen infolge einer Reifungsstörung nicht abgeschlossen werden kann und deshalb zu wenige reife Blutkörperchen für den Sauerstofftransport vorhanden sind. Aus der mangelhaften Sauerstoffversorgung der Gewebe resultiert eine zunehmende Müdigkeit und körperliche Schwäche, ferner auch unspezifische Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Durchfall, Haarausfall, Immunschwäche oder depressive Verstimmungen. Abflachungen des Zungenreliefs, Schleimhautveränderungen in der Mundhöhle, und Darm sowie Zellveränderungen an Vagina und Gebärmutterhals können ebenfalls Folge eines Folsäuremangels sein.
Embryonale Missbildung
Die embryonale Anlage des zentralen Nervensystems, das Neuralrohr, schließt sich etwa am 28. Tag einer Schwangerschaft. Falls in diesem Stadium der Schwangerschaft ein Folsäuremangel vorliegt, kann es beim Embryo zu Neuralrohrdefekten mit Fehlbildungen an Rückenmark und Gehirn kommen. Außerdem wird ein Folsäuremangel als eine Ursache für die Entwicklung angeborener Herzfehler11 sowie ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten und anderer Schwangerschaftskomplikationen diskutiert.12
Neurologische Funktionsstörungen
Ausfälle am peripheren und zentralen Nervensystem werden in Verbindung mit einem Folsäuremangel gebracht. Dabei kann es zu Polyneuropathie-Symptomen sowie Läsionen der langen Rückenmarksbahnen und psychischen Beschwerden kommen. Beobachtet werden Kribbeln in Händen und Füßen und Gangunsicherheit. Diese Symptome sind mit den Beschwerden bei einem Vitamin B12-Mangel vergleichbar.
Erhöhter Homocysteinwert
Ein Folsäuremangel kann – neben einer Unterversorgung der am Homocystein-Stoffwechsel ebenfalls beteiligten Vitamine B6 und B12 – zu einer Erhöhung des Homocystein-Blutspiegels und dadurch bedingt zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Thrombosen, Schlaganfall, depressive Verstimmungen, Depressionen oder Alzheimer-Demenz führen.13 Eine Erhöhung des Homocysteinspiegels im Blut kann wegen der engen Stoffwechsel-Verbindung der beiden Vitamine allerdings auch durch einen Vitamin B12-Mangel bedingt sein, so dass in der Regel Folat und Vitamin B12 zusammen bestimmt werden sollten.
Weitere Informationen zur Labordiagnostik von Folsäure und Vitamin B12 finden Sie hier.
Besteht bei Ihnen der Verdacht auf einen Folsäuremangel? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.
Grundsätzlich sind Folate sowohl in Lebensmitteln pflanzlichen als auch tierischen Ursprungs enthalten. Gute Folatlieferanten sind vor allem dunkelgrünes Blattgemüse, alle Kohlsorten und Spargel sowie Hülsenfrüchte, Nüsse, Weizen- und Vollkornprodukte. Die höchsten Folatwerte pro 100g Lebensmittel enthalten Weizenkeime, Rosenkohl, Spinat und Feldsalat. Einige Obstsorten, vor allem Beeren, Kirschen, Weintrauben und Orangen versorgen den Körper ebenfalls mit Nahrungsfolaten. Unter den Lebensmitteln tierischen Ursprungs enthalten Rinderleber, Eier und Käsesorten wie Camembert nennenswerte Folatmengen.
Allerdings sind Nahrungsfolate äußerst hitze- und lichtempfindlich sowie wasserlöslich. Eine falsche Lagerung und Zubereitung der Lebensmittel kann zu großen Folatverlusten führen. Man sollte Lebensmittel daher möglichst kurz und dunkel lagern und schonend zubereiten (beispielsweise Gemüse dünsten statt kochen). Gemüse, Salate und Obst sollten möglichst nicht zerkleinert und nur kurz gewaschen werden, um die Nahrungsfolate nicht auszuwaschen. Weitere Tipps finden Sie hier.
Die sichere Tageshöchstmenge (upper intake level; UL) für Folsäure beträgt nach Angabe der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei langfristiger Einnahme 1.000µg. Bei Folsäurezufuhren oberhalb 1000µg könneen neurologische Symptome eines Vitamin B12-Mangels überdeckt werden.14
Höhere Folsäure-Supplementierungen sind jedoch möglich, um einen nachgewiesenen Folsäuremangel zu beheben.
Erst bei einer sehr hohen Folsäurezufuhr von etwa 15mg pro Tag kann es zu zentralnervösen Symptomen wie Reizbarkeit oder Depressionen, Schlafstörungen sowie Magen-Darmstörungen kommen.
Durch die Zufuhr von Folsäure kann die sowohl bei Folsäure- als auch bei Vitamin B12-Mangel vorkommende megaloblastäre Anämie behandelt werden, nicht aber die neurologische Symptomatik des Vitamin B12-Mangels, die in jedem Fall eine zusätzliche Vitamin B12-Substitution erfordert